Islands Küste gestern Abend war noch ein Traum – und die hochstehende Sonne lässt einen schnell vergessen, wie spät es ist. Flo und ich haben bei kühlen Temperaturen, aber warmer Sonne noch Cocktails auf dem Außendeck genossen mit herrlicher Aussicht auf die Naturschutzgebiete Westfjordlands und auch die Kinder wollten nicht ins Bett. Was bedeutete, dass wir alle vier heute morgen das Weckerklingeln um 6:15 Uhr nicht so sehr toll fanden. Die Einfahrt in den längsten Fjord Islands hatten wir da allerdings schon verpasst (gut, dass es später noch ein sonniges Auslaufen gab). Anlegen in Akureyri war heute schon um 7 Uhr. Sind wir gar nicht mehr gewohnt, das frühe Aufstehen. Gab auch etwas Protest, aber um 6:50 Uhr waren wir alle in Outdoorklamotten, Wanderschuhen und mit Autan eingeschmiert beim Frühstück. Denn um 7:45 Uhr ging unser Ausflug in die Geothermalgebiete rund um den Myvatn-See los. Übrigens der einzige, den wir mit AIDA gebucht hatten und so gut er auch war (war er wirklich), Flo und ich haben wieder festgestellt, dass wir das mit dem Bus wirklich lassen sollten, wir können einfach nicht drauf.
Akureyri ist die „Hauptstadt“ des Nordens Islands und das zweitgrößte Zentrum auf der Insel. Mit 20.000 Einwohner überschaubar, aber bei 350.000 Isländern (die zu 60 Prozent in und rund um Reykjavik leben) schon eine sehr eine große Ansammlung. Die Siedlung existiert schon seit gut 900 Jahren, das älteste Haus steht seit über 220 Jahren. Nicht zu erwähnen, das grandiose Thermalfreibad mit den meisten und höchsten Rutschen auf der Insel. Aber das war ja wie gesagt nicht unser Ziel heute. Akureyri hat so viel zu bieten (Islandpferdereiten, Walbeobachtung, tolle Umgebung), dass man hier wirklich Tage verbringen könnte. Steht also neu auf unserer Langzeiturlaubsliste – so ein Rundfahrturlaub auf Island mit Zelten und Wandern. Auch wenn Flo und ich die hohen Preise weiterhin verdauen müssen.
Unseren Ausflug gab es insgesamt mit sieben Bussen – puh, diese Menschenmassen. Wir haben dennoch nur noch einen Dreierplatz auf der Rückbank ergattert und einen weiteren Einzelplatz sieben Reihen davor. Flo und ich waren immerhin so intelligent, Spuckbeutel vom Schiff einzupacken, die wir dann bei der Rückbankbelegung auch wirklich gebraucht hatten. Diesmal hat es von unseren gerne mal im Auto reisekranken Kindern Leve mit Mehrfachübergeben erwischt. Armes Hascherl, aber danach geht es den Lütten ja sofort wieder gut.
Wir sind dann über den Damm zwischen Flußdelta und Fjord Richtung Osten gefahren – beeindruckende Landschaften. Gletscher- und Eiszeitgeformte Vulkanfelder, teilweise wieder bewaldet und auf jeden Fall moosbegrünt. Da „Aus-dem-Bus-Fotos“ ja meist nicht so gut werden, hab ich nur wenig Impressionen einfangen und umso mehr auf mich wirken lassen (wenn ich nicht grad Spuckbeutel gehalten hab). Die Straßen von Akureyri nach Myvatn sind mittlerweile auch gut ausgebaut, so dass wir doch einen Mietwagen hätten nehmen können. Bis vor wenigen Jahren waren es noch Schotterpisten und das war der Grund für den Bus (Privattour mit Jeep und Guide war uns mit knapp 800 Euro für uns vier dann doch zu teuer :-)) Fürs nächstes Mal wissen wir es besser. Dafür war unsere Reiseführerin, schweizerische Emigrantin und Wahlisländerin Rebekka, ein wirklicher Zugewinn und hat sehr viel über Land, Geologie, Sagen, Mythen sowie Gesellschaft und Leute während der Fahrt erzählt. Selbst die Jungs haben aufmerksam zugehört und das haben wir nicht so oft bei Reiseleitern.
Beim Myvatnsee angekommen sind wir erst einmal rechts Richtung Namafjall und Hverir abgebogen, einem Hochtemperaturgebiet, an dem Schlammquellen und -Vulkane und Dampf durch die hier sehr dünne Erdkruste hochschießen. Nicht zu vergessen: der alles überdeckende Schwefelgeruch, der uns sehr an Roturua in Neuseeland erinnerte. Wir wurden noch gewarnt, nicht in die Schlammpfützen auf dem Weg zu treten, was bei sich mal wieder übergebenden Levian allerdings nicht im Hirn ankam. Der Schlamm soll nämlich aufgrund der mineralischen Zusammensetzung sich sehr hartnäckig halten und so gut wie nicht mehr abgehen. Ich habe es noch nicht probiert, aber Leves Leder-Wanderstiefel werden mir zu Hause noch etwas Arbeit bereiten 🙂
Nach dem Halt in dem Geothermalfeld mit Blick auf die Tafelvulkane sind wir dann weitergefahren zu der geologischen Besonderheit Dimmuborgir. Aber kommen wir erst einmal zur mythischen Erklärung von Dimmuborgir, die ist nämlich noch schöner als die geologische . Hier lassen sich nämlich nun die von uns auf dieser Reise schon länger gesuchten Trolle finden – allerdings versteinert. Was Mio und Leve gleich erstaunen ließ, dass Trolle sooo groß sind. Flo und ich meinten eher, das Auge Saurons gefunden zu haben, was dann wieder zu weiteren Fragen bei den Kids führte. Doch bald der Hobbit als Gute-Nacht-Geschichte? Wie auch immer, die isländische Sage erzählt, dass die einheimischen Trolle „not amused“ waren, als die Wikinger vor gut 1.000 Jahren auf Island landeten. Also zogen sie sich nach Dimmuborgir zurück, um einen besonders fiesen und hintertückischen Plan auszuhecken, wie sie die Menschen töten und damit wieder loswerden konnten. Diesen Plan fanden sie auch und freuten sich so darüber, dass sie bis zum Morgengrauen feierten und den Sonnenaufgang vergaßen. Da die Trolle aber keine direkte Sonnenstrahlen abkönnen, versteinerten sie in diesem Moment.
Die geologische Erklärung ist etwas einfacher. Myvatn ist nahe der Spalte zwischen der eurasischen und amerikanischen Kontinentalplatte gelegen. Da diese pro Jahr circa zwei Zentimeter auseinander driftet, befindet sich sich im östlichen Island ein sogenannter Supervulkan mit großem Magmafeld, der an der ein oder anderen Stelle immer mal wieder ausbricht. Bei Dimmuborgir ist also Lava in ein See geflossen mit niedrigem Grundwasser. Da durch, dass die Lava dann unterschiedlich an der Oberfläche abkühlte und Basalt sehr porös ist, ist die Lava sehr unregelmäßig versteinert. Irgendwann ist der See abgelaufen und hat so dieses beeindruckende Labyrinth an Basaltformationen freigegeben. Dies gibt es nur so auf Island (für die Geologen unter unsern Lesern, ja auch vor Mexiko, aber dafür im Meer unter Wasser) zu bestaunen.
Wir waren auf jeden Fall sehr beeindruckt und haben uns schnell von den Massen gelöst. Ein kleines Hinweisschild „Difficult Path“ war die direkte Einladung für die Flugadler und wir sind in den kleinen Trail hineingewandert. Belohnt wurden wir mit begehbaren Höhlen, ausgehöhlten Türmen und kleineren Kletterpartien – ganz ohne weitere Menschen. Sofort waren unsere Naturburschen wieder in ihrem Element und jede Müdigkeit oder Mattheit verflogen. Dies hieß auch, dass wir genau eine Minute vor Abfahrt am Bus ankamen und wieder mal wissen, warum wir lieber auf eigene Faust unterwegs sind.
Es ging nur ein Stückchen am Myvatnsee weiter, Richtung Skutustadagigar, Pseudokrater. Diese entstanden, als Lava in ein Sumpfgebiet einfloss, diesen Sumpf zum Kochen brachte und so Sumpf, Schlamm und Feststoffe durch die „Kochtopftemperaturen“ zu Pseudokratern aufwarf. Hier machte der Myvatnsee dann auch endlich seinem Namen alle Ehre – Myvatn heißt nämlich Mücken. Und diese kommen hier in dunklem Schwärmen vor. Es sind zwar keine Stechmücken (gut für mich und Mio), dafür kriechen sie gerne in alle zugänglichen Körperöffnungen, also Augen, Ohren und Nase. Wer schon immer mal wissen wollte, wofür die bei Globetrotter auffindbaren Hüte mit umschließenden Moskitonetz so gut sind, hier wären sie angebracht gewesen. Unsere Multifunktionstücher lagen natürlich schön im Bus, also liefen wir ohne Schutz rum und pusteten uns mit spitzen Mündern unsere Gesichter frei 🙂 War wohl ein sehr lustiges Bild. Übrigens auf dem einen Bild unten, dass sind keine Vögel am Himmel, sondern die Mücken vor meiner Kamera 🙂
Die Pseudokrater waren schön, erinnerten ebenfalls sehr an Neuseeland. Wir sind dann weiter zum Mittagessen im Hotel Gigur, ein modern nordisch eingerichtetes Hotel mit Blick über den See. Und wirklich grandiosem Essen. Ich hatte schon Angst wegen der Busabfertigung, aber so war es gar nicht. Mio hat von der Tomatensuppe als Vorspeise gleich drei Teller weggeputzt (Kind! Suppe! Wow!) und als Hauptgericht gab es grandios gebratene Rotforelle aus einem nahem Fluss mit Kartoffeln und Wurzelgemüse (sehr isländisch), wir waren happy. Dann saß Mio auch noch neben Mia – einem Kind aus dem Kidsclub. Mio und Mia ist seine Lieblingsbücherreihe aus der Erstlesezeiten, dass passte ja.
Auf dem Rückweg sind wir dann an dem sehr schönen Wasserfall Godafoss vorbeigefahren und auch mal wieder etwas geklettert. Natürlich auf den erlaubten Wegen, da die Flora hier in Island durch die sehr kurzen Winter es eh schon schwer hat Fuß zu fassen. Dann müssen ja nicht noch die Touris über die empfindlichen Wurzeln trampeln. Auch hier hatten wir gefühlt wieder zu wenig Zeit. Godafoss heisst Wasserfall der Götter und führt auf die Legende zurück, dass der damalige Häuptling sich entschliessen sollte, ob die heidnischen Wikinger zum christlichen Glauben übertreten sollen. Er stimmte schließlich zu, unter den drei Bedingungen, dass die Wikinger weiterhin Pferdefleisch essen können, weiterhin heimlich zu den heidnischen Göttern beten dürfen und bei ungewollten Kindern diese nach der Geburt aussetzen dürfen, wenn sie nicht ernährt werden können (damals gab es öfter schwere Hungernöte, anders lässt sich das Verhalten bei den sehr kinderfreundlichen Isländern nicht erklären). Der Bischof stimmte zu und so versenkte der Häuptling die Statuen seines alten Glaubens in dem Wasserfall, der daraufhin zum „Götterwasserfall“ wurde. Übrigens erzählte Rebekka, dass heute die alte nordische Religion neben den christlichen Religion wieder als Religion in Island zugelassen ist und sehr hohen Zulauf hat, da sich viele Isländer mit dem sehr natur- und jahreszeitverbundenen Glauben identifizieren können.
Nach dem Tag voller geologischer Besonderheiten ging es zurück zum Schiff inklusive einer kleinen, aber feinen Stadtrundfahrt. Wir konnten Rebekka anmerken, dass sie sich wirklich in ihren neuen Heimatort verliebt hat. Liegt es an dem größten Skigebiet Islands, dass auf den Bergen hinter Akureyri liegt? Ich bin mit den Kindern an Bord, da diese wieder zu ihren Freunden im Kidsclub wollten, Flo ist noch etwas in die Stadt gelaufen (was ich gerne mit ihm zusammen gemacht hätte). Nachdem die Kinder wieder in ihrem Element waren, haben wir das Auslaufen beim Sport und bei Hörbuch genossen. Der Ejafjord, an dessen Ende Akureyri liegt, ist wirklich beeindruckend. Nicht zu erwähnen, dass wir mal wieder strahlenden Sonnenschein hatten. Island hat uns für seine Verhältnisse wettertechnisch wirklich schon sehr verwöhnt auf dieser Reise. Kalt macht ja nichts, dafür haben wir warmes Fleece mit.
Abends um 21 Uhr war dann das nächste Highlight des Tages dran: die Überquerung des Nordpolarkreises bei 66,57 Grad. Im Übrigens sind wir drübergesprungen, Mio natürlich am höchsten 🙂 Die Pooldeckfeier war kalt, aber für 21:30 Uhr sehr sehr hell und sonnig. Und ich hab mir dann doch einen Glühwein gegönnt (selbst gemacht), mein erster Juli-Glühwein im Leben. Sag niemals nie…
Erkenntnisse des Tages
- So, jetzt hab ich die Geschichte für meine steinewerfenden Kinder: auf Island ist es verboten Steine aufzuheben oder gar zu werfen, da man nie weiss, ob dort Feen und Elfen drunter leben. Vor einigen Häusern stehen sogar kleine Minihäuser für die Elfen. Und kleine Kirchen gibt es für sie auch. Hab welche gesehen, aber war zu spät beim Vorbeifahren, sie zu fotografieren. Auf jeden Fall werfen meine Kids nicht mehr mit Steinen ins Wasser, sondern Sand…
- Töte keine Mücke, es kommen 5.000 zur Beerdigung. Stimmt hier!
- Nächstes Mal wieder Mietwagen, wir wissen es jetzt wieder besser. Auch wenn es ökologisch natürlich besser ist, uns Touristen in Busse zusammenzupferchen. Und der Ausflug auch zu empfehlen ist, halt nur nicht für uns. Vielleicht hätten wir dann auch nach die Natur Hot Pots am Myvatn zum Schwimmen geschafft.
- Island ist faszinierend. Wir sparen dann mal fleissig und gönnen uns irgendwann mal die volle Dosis. Es wird dann auf jeden Fall ein sehr nüchterner Urlaub bei Preisen für ein gezapftes Bier zwischen 8 und 12 Euro. Island hat ein staatliches Monopol auf den Alkoholverkauf und besteuert (zurecht) ihn sehr hoch, da noch bis vor wenigen Jahren wirklich Probleme mit Jugendsucht gab. Jetzt setzen sie mehr auf Sportförderung. Was man ja auch an der isländischen Teilnahme an Fußball-EM und WM sehen kann. Und den vielen Sportstätten, die man unterwegs sehen konnte.
- Die Schulinternate werden hier im Sommer zu Touristenherbergen. Spannend. Ausprobieren?


















